Rede bei "Regenbogen für Alle"

Obszön, gottlos und verdammt attraktiv
Obszön, gottlos und verdammt attraktiv

Hallo meine lieben Menschen! Ihr glaubt nicht, wie gut es tut, zu diesem Anlass in so viele Gesichter schauen zu dürfen.
Zum 8. Mal marschiert hier mittlerweile die so genannte „Demo für Alle“ auf. Und ich kann euch sagen: Beim letzten Mal standen nicht annähernd so viele Menschen vor der fetten Polizeilinie, die 4000 Besorgnis erregende Bürger von uns abgeschirmt hat.
Dennoch wurden wir mit diffamierenden Äußerungen überzogen und mussten ach so christliche Anfeindungen auf den Bannern und Plakaten dieser Fanatiker_innen lesen.
Die sogenannte „Demo für Alle“ reklamiert für sich, eine stille Mehrheit zu vertreten.
Die so genannte „Demo für Alle“ behauptet, Werte zu verteidigen, die allen Deutschen innewohnen.
Die so genannte „Demo für Alle" lügt.


Wenn ich mir die ansehe, die da aufmarschieren, dann sehe ich keine einheitliche Gruppe besorgter Eltern. Ich sehe ein Besorgnis erregendes Bündnis aus rechtspopulistischen AfD-Politiker_innen und CDU-Funktionär_innen. Ich sehe ultrakonservative sogenannte „Familienschützer“ und Antifeministinnen. Ich sehe erzkatholische Kirchenmenschen und evangelikale Fundamentalist_innen. Die Köpfe des Ganzen – Hedwig von Beverfoerde, Beatrix von Storch, Birgit Kelle und auch Gabriele Kuby – sind alle vier gebildete und intelligente Frauen, die seit Jahren und Jahrzehnten unter der Vortäuschung falscher Ziele gegen Schwule und Lesben, gegen sexuelle Vielfalt und gegen alternative Lebensweisen Stimmung machen. Mit den Schlagworten „Familienschutz“, „Kindeswohl“, „Genderwahnsinn“ und „Frühsexualisierung“ betreiben sie auf ebenso perfide wie auch hochprofessionalisierte Weise Hetze gegen uns. Mit einer ausgeklügelten und sichtlich erfolgreichen Marketingstrategie versuchen sie, Massen aufzuschrecken und zu einem Kampf im Namen der Kinder, im Namen des Glaubens oder im Namen des Abendlandes zu mobilisieren. Mit dem Vorgaukeln eines vermeintlichen Konsenses, vereinen sie fundamentalistische, ultrareligiöse, und rechtsextreme Kräfte mit gutgläubigen Schafen aus der Bevölkerung. Mit emotionalen Argumentationen und infamen Lügen, werden Angst und Schrecken verbreitet und die Menschen direkt von der Pegida-Demo in die Reisebusse zur „Demo für Alle“ gelockt. Die Teilnehmer_innen dieser Demonstration kommen aus der ganzen Republik; zum einen aufgerührt von abgewichster Panikmache und zum anderen weil die so genannte „Demo für Alle“ die perfekte Veranstaltung ist, um Rechtsextremismus und Menschenverachtung salonfähig zu machen. Es scheint die christlichen Eltern nicht zu stören, dass ihre Kinder neben verurteilten NPD-Funktionären und den Glatzen von der Identitären Bewegung auf dem Schillerplatz stehen, während sie selbst den Hasspredigten faschistoider Kundgebungsredner_innen lauschen. Es scheint den wenigen muslimischen und schwarzen Demonstrationsteilnehmer_innen nicht aufzufallen, dass sie zum größten Teil von antiislamistischen Rassist_innen umgeben sind. Demokratisch gewählte Abgeordnete der CDU zeigen da auf der Bühne ihr antidemokratisches Gesicht. Hedwig von Beverfoerde hat im Juni ganz unverhohlen bewiesen, dass sie sich sehr über die Teilnahme von Rechtsradikalen freut, solange sie doch nur die rosa und hellblauen „Demo für Alle“-Banner vor sich halten.
Das, was dieses Bündnis da drüben auf dem Schillerplatz vereint, ist nicht die Sorge um die Kinder, es ist nicht der Schutz des Grundgesetzes oder irgendwelcher religiöser Werte. Es der Hass gegen Lesben, gegen Schwule und gegen Trans*. Es ist der Hass gegen alles, das nicht hetero und cissexuell ist. Es ist der Hass gegen alles was ihnen fremd ist.

Die Führungsriege bedient sich alter Klischees und kriminalisierender Vorurteile. Das Schreckensbild der lesbischen Alten, die junge Mädchen verführt wird genauso propagiert wie die Gleichsetzung von Schwulen mit pädosexuellen Sexualstraftätern. Mag sein, dass ein großer Anteil der ungebildeten Schäfchen da drüben wirklich glaubt, man würde durch sündhafte Verführung homosexuell gemacht. Aber die, die es besser wissen, nutzen die Unwissenheit der dummen Masse mit aller Hinterhältigkeit aus. Diese Panikmache treibt alte Frauen, die in ihrem Leben noch nie eine Demo besucht haben, auf die Straße. Am Rande ihres Marsches hat mich eine Oma gefragt: „Sind sie für oder gegen Gott? Ich bin für Gott!“. Na das ist ein schöner Haufen. Vergreiste Kirchengänger_innen im heiligen Krieg für Gott? Glauben die allen Ernstes, uns wohnt der Teufel inne? Glauben die wirklich, man könnte Homosexualität einfach wegdemonstrieren? Ich kann es euch nicht sagen. Aber was ich euch sagen kann ist, dass die da drüben überzeugt und entschlossen sind, uns mit allem, was ihnen zur Verfügung steht zu bekämpfen.


Nie hätte ich gedacht, dass in einer Zeit wie heute, wir als sexuelle Minderheit nicht nur für vollständige Gleichberechtigung kämpfen, sondern dass wir nun auch noch die Rechte, die bereits erkämpft wurden verteidigen müssen. Nie hätte ich gedacht, dass in einem modernen, aufgeklärten Staat der „westlichen Welt“ Schwule, Lesben und Trans* als Kriminelle, als Geisteskranke, Missgeburten oder schlicht Sünder bezeichnet werden. Nie hätte ich gedacht, dass in einem Land mit einer so grausamen Geschichte der Verfolgung und Vernichtung von Menschen nach nur 70 Jahren wieder Tausende gegen Minderheiten auf die Straßen gehen.
Mit der Akzeptanz von Vielfalt in der Gesellschaft, und damit meine ich heute an diesem Tag vor allem Sexuelle Vielfalt, wird niemandem etwas weggenommen. Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, wird keine heterosexuelle Ehe geschieden. Und mit der institutionellen Aufklärung von Kindern über die unbestreitbare Existenz von Bisexualität, Homosexualität, Transsexualität, Zwischengeschlechtlichkeit und sexueller Selbstbestimmung wird kein Schüler schwul gemacht und schon gar nicht traumatisiert. Traumatisierend ist vielmehr die aufgezwungene Heteronormativität und Menschenfeindlichkeit, die die da drüben propagieren.Diskriminierung und Ausgrenzung von Homosexuellen und Bisexuellen, die Pathologisierung von Trans* und Inter*; DAS ist traumatisierend. Eine breite Aufklärung, Toleranzerziehung und Information über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sind nicht dazu da, denen da drüben ans Bein zu pinkeln, sondern sie schützen unsere Gesellschaft vor dem hässlichen Gesicht der Menschenverachtung und Gewalt gegen Minderheiten.


Man gewinnt doch sehr das Gefühl, als wollten sich die selbsternannten „Bildungsplangegner“ nicht verbieten lassen, weiterhin „Schwul“ als Schimpfwort zu benutzen und als wollten sie in ihrer engstirnigen Ideologie mit dieser spaßbefreiten und todlangweiligen Sexualmoral nicht von der Wirklichkeit gestört werden. Was für dramatische Auswüchse die Desinformation von Schüler_innen später bei Erwachsenen hat, zeigt dieser Sumpf da drüben, der sich gerade Richtung Oper in Bewegung setzt. Die hätten wirklich mal ein nervenstarkes SchLAu-Team gebraucht.
Genauso will ich aber daran erinnern, dass ein großer Prozentsatz von homosexuellen und noch mehr trans- und intersexuellen Jugendlichen sich aus Folge von Diskriminierung und Verzweiflung über ihre Situation das Leben nimmt. Jungen Menschen zu sagen, dass sie falsch seien, dass sie krank seien und behandelt werden müssten, ihnen zu zeigen, dass sie Menschen zweiter Klasse sind, ist eine Schande! Wer diese Hetze verbreitet und unterstützt, macht sich mit schuldig an dem Leid, das junge queere Menschen durchstehen und manchmal eben auch nicht mehr durchstehen können.

Was will ich euch allen nun sagen und mit auf den Weg geben?
Ich habe in einem Artikel aus den frühen 80er Jahren mal den Satz gelesen „Schwul sein heißt, sich wehren“. Ich glaube dieser Satz aus der Homo-Bewegung hat nie an Aktualität verloren und sollte von uns gerade heute wieder ernst genommen werden. Menschenrechte sind nicht verhandelbar, und dennoch sitzen wir still auf dem Sofa, wenn in Talkshows rechte Christinnen über Homosexuellenrechte debattieren dürfen und Birgit Kelle und Hedwig von Beverfoerde uns vor laufenden Kameras diskriminieren.
Wir haben zu lange zugesehen, wie sich rechte Kräfte formieren, wir haben zu selten widersprochen, wenn wir diskreditiert und beleidigt wurden. Unsere Gegner_innen werden immer mutiger und ihre Rhetorik wird immer drastischer. Gestern haben wir noch über sie gelacht, heute bringen sie die Bildungspolitik ins Stocken und morgen wollen sie Homosexualität unter Strafe stellen.
Wir haben uns zu sehr ausgeruht auf dem, was unsere Vorgänger_innen mühsam für uns erstritten haben. Weil wir uns zu sicher fühlen, dass man uns das was wir haben nicht mehr nehmen kann. Das ist eine trügerische Fehleinschätzung. Es reicht nicht mehr aus, im Sommer auf den CSDs zu laufen – Wir müssen da, wo man uns beschneiden will, Widerstand leisten und unsere Rechte verteidigen.
Wir müssen da, wo gegen Minderheiten gehetzt wird, aufstehen und ganz laut „Nein!“ sagen. Wir müssen da, wo Fascho-Aufmärsche auf uns herumtrampeln wollen, Blockaden errichten und denen zeigen, dass da wo wir sind, sie keine Chance haben.
Die Demo für Alle hat hier nichts zu suchen. Nicht in Stuttgart, nicht in Deutschland und auch sonst nirgendwo. Solange sie es versuchen, werden wir uns ihnen entgegenstellen.
Ruht euch nicht aus! Eine Bewegung muss sich bewegen! Und ich für meinen Teil werde mich nun auch bald Richtung Oper bewegen.

Steht auf! Lasst euch nicht unterkriegen, haltet zusammen! Tretet Homophobie und Transphobie in den Arsch!

Stonewall was a riot - Nazis raus! - Danke

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Kommentare: 3
  • #1

    moni (Montag, 12 Oktober 2015 10:22)

    Sehr geile Rede ! Leider lag ich im Bett mit Fieber, aber war mit dem Herzen bei Euch. Bis bald.

  • #2

    viola (Montag, 12 Oktober 2015 11:15)

    Du warst ganz bezaubernd, Rosa!

  • #3

    Harald (Mittwoch, 14 Oktober 2015 17:23)

    Danke das du da warst und Danke für deine HAMMERrede... !