Da rappelts im Congresium

Die sogenannte "Demo für Alle" hat für den 20. Januar 2018 zu einem "Symposium" in Frankfurt eingeladen. Thema der Veranstaltung lautet "Öffnung der Ehe - Folgen für alle". Nicht nur dieser Titel, sondern auch das Programm und die Liste der Referent_innen versprechen eine durchweg homofeindliche Veranstaltung für rechte Christen, denen die Welt insgesamt zu schwul und unzüchtig ist. Was die Einladung der Veranstaltung jedoch nicht verrät: Wo in Frankfurt dieses "Symposium" stattfinden soll. Den Kniff kann sich Hedwig von Beverfoerde ausgedacht haben, damit die zu erwartende breite Gegenbewegung den Veranstaltungsort nicht wieder unter Druck setzt. Oder es kann auch sein, dass einfach niemand Lust hat, eine pseudowissenschaftliche Veranstaltung der erfahrungsgemäß auch Nazis beiwohnen, bei sich zu beherbergen.

 

Wie auch immer: Es wurde eine Gegenkundgebung mitten in Frankfurt auf der Hauptwache mit anschließender Demonstration angemeldet. Die Bewegung ist flexibel und kann auch spontan reagieren. Mal wollte sicher mal schauen. wo der Demonstrationszug dann hinführen würde.

Am Donnerstag vor der Veranstaltung wurden alle, die sich zum "Symposium" in Frankfurt angemeldet haben, in Kenntnis gesetzt, wo dieses stattfinden würde. In Kelsterbach im Landkreis Groß-Gerau. Ganz schön bitter für Hedwig und ihre Mannschaft. Frankfurt angepriesen, da dann nix gekriegt, die Leute bis zwei Tage vor der Veranstaltung im Dunkeln gelassen und nun die Leute zum Flughafen lotsen, damit sie von dort aus mit einem Shuttlebus nach Kelsterbach gekarrt werden. Das ist ziemlich erbärmlich.

 

kelsterbach ist nicht frankfurt

 

Nur kurze Zeit nachdem über Facebook auch die genaue Adresse der Veranstaltung geteilt wurde, geschah etwas, was schon seit Längerem immer wieder zu beobachten ist: Die Gegner_innen der "Demo für Alle" gaben der Location (Congresium Conference&Event Center) bei Facebook eine Bewertung mit nur einem Stern. Manche schrieben auch eine Begründung, dass dieser Veranstaltungsort rechte, homophobe und rassistische Events unterstütze. Die vormals gute Bewertung des "Congresium Conference&Event Center" (4,5/5 Sterne) sinkt bis zum nächsten Morgen zusehens. Und das Congresium kann nicht viel dagegen tun. Einzelne Sterne-Bewertungen können im Gegensatz zu Kommentaren nicht gelöscht werden.

 

Aus der Erfahrung wissen wir: Die Verantwortlichen von Veranstaltungslocations haben oftmals keine Ahnung, wen sie da bei sich ins Haus holen. Es ist eben nicht der Obernazi aus den Nachrichten der für den Stammtisch reserviert, sondern ein unbekanntes Hänschen. Ebenso kann man nicht erwarten, dass jede_r bei relativ harmlosen Vereinsnamen die irgenwas mit "Familie" wollen, gleich an angry Hedwig und ihr rechtes Netzwerk denkt. Deshalb kann es ratsam sein, erst das Gespräch zu suchen und die Reaktion abzuwarten, als gleich einen Shitstorm loszubrechen. Es kann einfach die Falschen treffen. Dennoch ein Pro-Tipp für alle Veranstalter_innen: Vorher mal checken erspart Ärger! <3

Am Donnerstag spätabends hat das Congresium in Kelsterbach bemerkt, dass da was im Busch ist und fühlte sich zu einer Stellungnahme genötigt:

 

"Auf Grund von vielen Spam Bewertungen möchten wir ihnen mitteilen, das wir Congresium Conference&Event Center beschuldigungen wie Homophob, Rassistisch usw. entscheidend von uns zurückweisen!
Wir sind weder Homophob noch Rassistisch!
Wir veranstalten Internationale Hochzeiten und andere Feierlichkeiten und machen keinen Unterschied zwischen den Menschen! Wir fragen niemals unsere Kunden weder nach ihren politischen Gesinnungen noch ihren privaten Neigungen! Auch forschen wir nicht bei jedem Verein nach, sofern es keinen terroristischen oder radikalen Verdacht gibt!
Wir haben jeden Spammer bei Facebook gemeldet. Rechtliche Schritte behalten wir uns gegen bestimmte Personen vor.

 

 

Ihr Congresium"

 

Diese - zugegeben etwas holprig und zu später Stunde sicher in Aufregung formulierte - Mitteilung wirkt erst mal ehrenhaft. Aber der Vorwurf war nie, dass das Congresium homophob oder rassistisch sei. Sondern, dass es solchen Leuten eine Veranstaltung ausrichtet. Der Text enthält keine Distanzierung von dem "Symposium" und den Menschen dahinter. Vielmehr richtet er sich gegen die als unfair betrachteten Bewertungen ("Spam"). Die Menschen die diese Bewertungen und Kommentare abgegeben haben werden kurioserweise auch "Spammer" genannt und es wird versucht, diese zu bestrafen: Nicht nur mit einer Meldung bei Facebook, sondern auch gerichtlich. Das Congresium sieht also den Gegner nicht unbedingt bei den Leuten, die am Samstag ein homofeindliches "Symposium" unter seinem Dach veranstalten, sondern will lieber juristisch gegen eine Sternebewertung bei facebook vorgehen... huiuiui. Wirkt auch nicht so ganz durchdacht.

wer ist das congresium?

Die Webseite http://www.congresium.de/ weißt im Impressum Tayfur Altintop als Geschäftsführer aus. Er hat die nächtliche Facebook-Meldung auch auf seinem privaten Facebook-Profil geteilt. Darunter kommentierte er:

 

"Am Samstag hat ein Verein namens Ehe-Familie-Lebenberatung ein Symposium bei uns. Die wären angeblich Homophob. Woher soll ich das denn wissen bei so einem harmlosen namen? Ich kann doch net jedem Verein hinterher forschen! Jetzt werde ich von den scheiss Linken und Grünen zugespammt!"

Ja, ja. Die scheiß Linken und Grünen wieder... Einer seiner Facebook-Freunde versuchte ihn noch in der Nacht mit den Worten "
guck dir doch mal diese Hunde an" aufzumuntern. Aber dennoch stellt sich bei dieser Positionierung des Geschäftsführers des Congresium die Frage: Welche politische Einstellung hat er selbst denn eigentlich? Auch da gibt Facebook Auskunft:
Tayfur Altintop hat vor drei Jahren die Seite der türkisch-nationalistischen, r
ockerähnlichen Vereinigung "Osmanen Frankfurt" mit 5 Sternen bewertet ("gibt nichts besser als diese bruderschaft!"). Er ist auch Mitglied der Gruppe "Deutsche Mitte Diskussion DMD". Die Partei "Deutsche Mitte" ist den wenigsten bekannt. Der wirklich grottenschlechte Wahlwerbespot zur Bundestagswahl 2017 hat auch nicht unbedingt zur Popularität beigetragen. Die auf Wikipedia gesammelten Einordnungen zur Deutschen Mitte lauten wie folgt: "Israel-kritisch", "Euro-kritisch", "populistische Elemente", "an Reichsbürger erinnernde verschwörungstheoretische und rechte Positionen", "rechte Querfront­partei", "antisemitisch". Natürlich lehnt die Deutsche Mitte auch Gender Mainstreaming ab.

 

Tayfur Altintop schreibt am 18. Juli 2017 in der besagten Facebook-Gruppe unter anderem "Ich würde herrn hörstel wählen. hab aber leider keinen deutschen pass.". Christoph Hörstel hat die Deutsche Mitte mit gegründet und war bis November 2017 Chef der Partei. Er ist vor allem als gern gesehener Redner beim islamistischen und israelfeindlichen Al-Quds-Tag in Berlin in Erscheinung getreten, und propagiert die These, dass die Bundesregierung zusammen mit "geheimen Mächten" 2015 die sogenannte "Flüchtlingskrise" eingeleitet habe, um Deutschland "kaputtzumachen".  Es würde ein Bürgerkrieg provoziert und bereits 30.000 Terroristen seien nach Deutschland geholt worden... Ebenso spricht er von Verwicklungen der CIA mit dem Terroranschlag auf das World Trade Center und wird insgesamt als verschwörungstheortisch und antisemitisch bezeichnet. Gerne ist er auch bei Russia Today Deutsch zu Gast.


Der Geschäftsführer des Congresium derweil findet schade, dass es keinen Frankfurter Kreisverband der Deutschen Mitte gibt. Sonst würde er sofort Mitglied werden.

 

Freitagmorgens.

Nachdem man im Congresium wohl noch mal darüber geschlafen hat, kann man keine Sternebewertung mehr geben. Die bestehende Bewertungen und die Funktion generell sind weg.

 

Die Facebook-Mitteilung von Mitternacht wurde am Freitagmorgen um etwa 11 Uhr ebenfalls gelöscht. Ich hab aber Screenshots.

 

Wir sehen uns auf einer der vielfältigen Gegenveranstaltungen! <3

update

Am Tag des sogenannten "Symposiums" postet Tayfur Altintop ein Foto der Gegendemonstrant_innen und nennt sie "Ratten". Nachmittags ist der Text der Statusmeldung dann geändert und am Montagmorgen das komplette Posting dann gelöscht...


Am Sonntabend teilt das Congresium stolz einen Artikel der rechten Onlinezeitung "Junge Freiheit" auf der Facebook-Fanseite. Geschäftsführer Altintop kommt in einem dazugehörigen Videobeitrag mehrfach zu Wort. In seinem Haus seien alle willkommen, die keine Extremisten sind. Anwesende NPD-Funktionäre scheinen dem Geschäftsführer des Hauses nicht extremistisch genug zu sein.

Montagmorgens die Möglichkeit, dem Congresium eine Sternebewertung zu geben, wieder online.

 

Mittags dann geändert.